1. Szenenaufbau und Kapiteleinteilung
Normalerweise sind Kapitel ähnlich wie Bücher aufgebaut: Es gibt einen atmosphärischen Einstieg und man erfährt erstmal, wer wo ist. Dann wird das Thema eingeführt, dass sich immer stärker bis zum Showdown oder Höhepunkt zuspitzt. Schließlich beruhigt sich alles wieder und letzte losen Fäden werden aufgegriffen und erklärt. Die Szene ist abgeschlossen und eine neue beginnt.
Es wäre naheliegend, hier das Kapitel zu beenden. Theoretisch. Wenn man aber einen Pageturner schreiben will, sollte man genau das nicht tun. Es ist viel schlauer, das Kapitel kurz vor dem Höhepunkt oder kurz nach dem Höhepunkt zu beenden. Der Leser will dann auf jeden Fall wissen, wie es weitergeht oder wie sich alles auflöst bzw. erklärt wird. Also fängt er das nächste Kapitel an. Und wenn er das schon mal begonnen hat, kann er es auch noch weiterlesen … So kann es dann die ganze Nacht gehen. :-)
2. Wechselnde Perspektiven
Verstärken kann man den Unbedingt-wissen-wollen-wie-es-weitergeht-Effekt durch wechselnde Perspektiven pro Kapitel. Hat das Kapitelende der Protagonistin Fragen aufgeworfen, wie sie auf eine bestimmte Situation reagieren mag oder was auf sie zukommt, dann aber erstmal ein spannendes Kapitel aus Sicht des männlichen Protagonisten kommt, bleibt die ganze Zeit ein kribbeliges Gefühl beim Lesen. Der Leser kann es kaum abwarten, endlich zu erfahren, was passiert. Aber wie es dem Helden ergeht, möchte er auch wissen, also liest er erstmal das Kapitel. Wenn das Kapitel nun auch kurz vor einer wichtigen Entscheidung oder einem großen Erlebnis endet, könnt ihr euch vorstellen, welchen Effekt das hat.
Aber Vorsicht:
Macht nicht den Fehler, einen billigen Cliffhanger einzubauen. Das wäre sowas wie:
Und dann öffnete sie die Tür. -Kapitelende-
Im nächsten Kapitel erfährt man dann, dass alles halb so wild war, und es nur ihre beste Freundin war, die zu einem Spontanbesuch vorbeigekommen ist. Der Leser wird sich dann ärgern, dass er so an der Nase herumgeführt wurde. Das Kapitel soll auch nicht mitten in einer beliebigen Handlung enden, sondern vor einer spannenden Frage oder Situation.
3. Rasanter Erzählstil
Details sind wichtig, um eine Geschichte zum Leben zu erwecken. Verwendet aber nur so viele, dass der Leser sich ein eigenes Bild machen kann. Verliert euch nicht in Details. Das tötet die Bilder im Kopf und bremst die Geschichte aus.
Beispiel:
Wenig Details:
Als sie seine hasserfüllten Augen und das blutverschmierte Messer sah, stürzte Sarah aus der Wohnung. Draußen war es bereits dunkel und im schwachen Lichtschein der spärlichen Straßenlaternen war weit und breit niemand zu sehen. „Hilfe!”, kreischte sie und brachte so viel Entfernung zwischen sich und den Mörder wie möglich.
Mit Details überfrachtet:
Als sie seine hasserfüllten blaugrauen Augen kombiniert mit einem fiesen Grinsen in seinem bleichen Gesicht sah sowie das große blutverschmierte Messer, das er mit seiner rechten Hand umklammerte, wendete sich Sarah ab und rannte aus dem Schlafzimmer. Sie riss die Wohnungstür auf, machte sich nicht die Mühe im halbdunklen Flur nach dem Lichtschalter zu suchen und hastete den Gang entlang. Endlich hatte sie die Haustür erreicht und griff mit ihrer rechten Hand nach der Türklinke, um sie aufzuziehen. Draußen war die Luft frisch, aber es war bereits dunkel. Sarah ärgerte sich, dass die Stadt noch immer nicht dazu gekommen war, mehr Straßenlaternen aufzustellen. Nun hastete sie im schwachen Lichtschein der hohen metallenen Laternen, vollkommen alleine die Straße entlang. Weit und breit niemand zu sehen. „Hilfe!”, kreischte sie außer Atem und voller Panik, während sie weiterrannte.
So eine Überdetailliertheit ist zu viel des Guten. Wenn man aber über jede unwichtige Handlung und jede Nebensächlichkeit informiert wird, kann das über dreihundert Seiten sehr ermüdend werden. Die Story schreitet dann nur sehr langsam voran. Solch epische Erzählweisen eignen sich eher für historische Romane.
4. Starke Emotionen
Liebe. Hass. Tod. Das sind die großen Gefühle, die die Menschen bewegen. Um mindestens eins davon sollte es in deinem Buch gehen. Dann werden die Menschen es gerne lesen. Die Chancen stehen relativ hoch, dass es noch spannender wird, wenn alle drei eine Rolle spielen.
Einige mag es abschrecken, Leute in Büchern sterben zu lassen, doch es gibt kaum etwas, wo man so mitleidet, wie wenn eine geliebte Person stirbt. Das weckt sofort Mitleid für die Figuren.
Der arme Harry Potter, der so früh schon seine Eltern verloren hat und dann bei diesen schrecklichen Menschen unter der Treppe leben muss. Jedoch ein super Einstieg für ein Buch! So hat Harry die Sympathien gleich auf seiner Seite.
Die arme Katniss, die ihre Schwester vor dem sicheren Tod rettet und dann so viel Sterben miterleben muss. Dadurch wird eine permanente Spannung gewährleistet.
Und was wäre “Ein ganzes halbes Jahr” ohne dieses Ende gewesen? Sicherlich kein Weltbestseller.
Als Ausgleich sollte es am besten auch eine Liebesgeschichte geben. Es ist einfach spannender, eine Geschichte zu lesen, wenn es dabei auch zwischen den Figuren knistert. Oder wer findet die Tatorte nicht am spannendsten, wo das so ist? Eine Prise Liebe also für die Krimis. Für die großen Liebesromane darf es auch etwas mehr sein. Die große aufopferungsvolle Liebe, für die man alles aufgibt. Oder Liebe, wo man sie zunächst gar nicht erwartet hatte.
Hass istnicht so ganz wörtlich zu nehmen. Für einen spannenden Abenteuerroman mag er funktionieren, aber in anderen Genres ist der „Hass” einfach nur ein großes, übermächtiges antagonistische Element. Eine Krankheit, ein großer Widerstand, eine unüberwindbare Grenze oder schlicht und einfach der Gegenspieler. Auch dies darf in eurem Buch nicht fehlen, wenn es ein Pageturner werden soll.
Merke: Große Gefühle machen ein Buch unvergesslich!
5. Überraschende Wendungen
Überrasche deine Leser! Damit Bücher einen bleibenden Eindruck hinterlassen und auch nach der Hälfte nicht an Spannung verlieren, muss etwas geschehen, womit niemand rechnet. Gone Girl, Das Schicksal ist ein mieser Verräter, The Sixth Sense oder Fight Club. Diese Bücher und Filme sind wahrscheinlich genau deswegen im Gedächtnis und im Gespräch geblieben.
Überraschende Wendungen einzubauen funktioniert nur, wenn man vorher plottet. Plotte erstmal eine ganz normale Geschichte. Mit der Handlung bis zum Höhepunkt und der Auflösung, deinem Setting, den Figuren etc. Dann schau dir alles an einem anderen Tag nochmal an und überlege, was nach der Hälfte das absolut Unwahrscheinlichste wäre, was passieren könnte. Das musst du ja auch nicht alleine machen, frage ein bis zwei Personen, ob sie dir beim Brainstormen helfen können. So kommt man oft von einer Idee zur nächsten. Eine überzeugende Plot-Twist-Idee entwickelt man meist auch nicht an einem Nachmittag. Manchmal muss auch alles in Ruhe ein wenig reifen, bis schließlich der entscheidende Einfall kommt.
Hier sind ein paar Anregungen für einen Plot-Twist:
- Eine wichtige Person stirbt überraschend
- Eine tote Person kehrt zurück
- Alles, woran der Protagonist geglaubt hat, stellt sich als Lüge raus
- Jemand zeigt sein wahres Gesicht
- Gut ist Böse und umgekehrt
- Das größte Problem ist nicht das, was vermutet wurde, sondern eine vermeintliche Nebensächlichkeit
- Aliens landen und bevölkern die Erde
- Der Protagonist kann niemanden vertrauen und ist vollkommen auf sich gestellt
Fazit:
Ein echter Pageturner ist bis zu einem gewissen Grad planbar. Du benötigst einen Szenenaufbau, ähnlich wie in bekannten Serien (Breaking Bad, Dexter, House of Cards) und eventuell Kapitel aus wechselnden Perspektiven – wobei dies nicht für jedes Genre geeignet ist. In der Geschichte sollte mindestens eins der großen Gefühle der Menschheit angesprochen werden, wobei es bestenfalls am Ende einen überraschenden Twist geben sollte. Du erzählst dabei alles in lebhaften und atmosphärischen Beschreibungen, verlierst dich aber nicht im Detail. Worauf wartest du noch?